László
Kovács
Erika
und die
Beschränkung
Es
war ein
Maimorgen, der
aus Goldfäden
gewebt war. Erika stand
auf dem Balkon.
Sie reckte und
streckte sich. Es
war nicht
einfach. Ach, krach!
Die Knochen
zeigten ihr
etwas Rost an. Sie
ging ins Zimmer
zurück, von dort
in die Küche und
weiter ins
Esszimmer. Alles
vorbereitet, gewaschen,
abgewischt. Gekocht,
gebraten, serviert
für eine
Person. Es wird
zwar eine
kleine Fete
geben, aber
nur
virtuell.
Sie strich
sich über
die Taille.
Sie bewegte
sich ganz
leicht. Sie
stellte sich
noch einmal
tapfer vor
den Spiegel. Nur
nicht ausweichen!
Frisur modisch
kurz geschnitten,
Augen hell,
glänzend. Ihr
Gesicht schien
schön glatt zu
sein, ja sogar mit
der Brille
betrachtet. Make-up
könnte nicht
schöner sein.
Der dünne
rote Pullover
mochte zwar zu
jugendlich sein,
passte aber
gut. Auch
der halblange,
seitlich geschlitzte
schwarze Rock und die
hellweißen Sommersandalen
waren in Ordnung.
Ist alles
beisammen? Ups,
das Parfüm! Oh, ja,
die Ohrringe,
natürlich! Und noch
die korallenrote
Halskette.
Zufrieden
bestätigte sie
alles, und sah sich
dann in der
Wohnung um.
Ei, was
ist denn
das dort
auf dem
Stuhl? Ach
so! Eine
gestreifte
Umhängetasche mit
langem Griff. Ich
wollte noch
Wein kaufen.
Der ging
mir aus
dem Kopf.
Ich brauche
Wein, auch
wenn ich
ihn allein trinke.
Ich müsste
zum Laden laufen!
Wie spät
ist es jetzt?
Elf Uhr
dreißig. Und ich
muss genau
um zwölf
vor dem Computer
sitzen und dabei
alles präzise
tun, damit
der Spaß
nicht zu kurz
kommt!
Erika nahm die
Tasche. Sie
stopfte schnell
eine Flasche
Händedesinfektionsmittel,
Personalausweis,
Kreditkarte und Telefon
hinein, schloss
die Tür ab. Los!
Sonnenbrille aufsetzen.
Maske erst
vor dem
Betreten in den Laden.
Zack! "Oh, meine
Fersen, nur
langsam, es ist
noch Zeit!"
Dreihundert Meter
bis zum Laden.
Maske hoch,
Brille runter.
Das Einkaufen dauert
ein paar
Minuten. Maske
runter, Brille
hoch vor
dem Laden.
Heimwärts wieder
dreihundert Meter.
Tempo erhöhen!
Erika war um
zwölf Uhr
fünf wieder zu
Hause. Sie
schaltete hastig
den Computer ein. Ob
es mir auch
gelingt, Skype zu
starten? Oh, ich
armes
Geburtstagskind!
Sie zeigte
sich der Kamera.
Auf dem
Bildschirm erschienen
auch die
Familienmitglieder:
Tochter, Schwiegersohn
und Kinder. Sie konnten
einander gut
sehen und hören.
Was ist
mit dir? Ist
etwas passiert?,
fragte die
Tochter die
keuchende Mutter mit dem
geröteten Gesicht.
Was hat
dich so
verlegen gemacht? Oder
eher
aufgemuntert?
Bitte,
bitte, seid
nicht böse, hab
mich etwas
verspätet, ihr
wisst ja, ich
bin kein Computerprofi.
Bitte, lasst
mich verschnaufen!
Ich werde
euch alles
erklären!,
sagte sie in
einem
Atemzug.
Oma, Oma,
Gott segne
Dich! Herzlichen
Glückwunsch zum
Geburtstag! Und nun
wollen wir
hören, was
passiert
ist.
Danke, ihr
seid nett und
süß.
Eigentlich passierte
nichts Besonderes,
nur diese
Beschränkung der
Zeit. Wie ihr
wisst, wir
haben da dieses Limit.
Soeben war
ich im Laden,
um Wein zu
kaufen. Einer
vom Sicherheitsdienst
hielt mich
auf.
Sie
dürfen nicht
herein
Wie
bitte?
fragte ich
ganz verlegen.
Wieso denn
nicht?
Stellt euch
vor, er
meinte, ich
sei jünger
als 65. Ist es
nicht schön?
Ich bin
ganz
begeistert.
Erika konnte sich
das Lachen
nicht verkneifen.
Die Familie
lachte mit. Erika wischte
sich die
Freudentränen ab. Und
als sie
dann die
winzige Torte
aus der
Küche holte und
die Köstlichkeit
vor die Kamera
stellte, musste
sie immer
noch
lachen.
Doch am Ende
gelang es ihr mit
Müh und Not,
zwar mit
Schokoladenhänden,
die beiden Nummer-7-Kerzen
auf die
Torte zu
stecken.
NEUE
ZEITUNG, Nr. 21/2020,
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